Olympia Rio 2016

2,5 Monate sind inzwischen vergangen und irgendwie ist meine Olympiateilnahme noch immer nicht Wirklichkeit, wahrscheinlich weil alles so schnell vorbei gegangen ist. Zunächst bereitet man sich über zwei Jahr auf dieses Großereignis vor und dann vergeht die Zeit wie im Flug und im Nu ist alles wieder vorbei.

 

Meine Vorbereitung startete eigentlich ab November 2014 mit dem Ziel ab Juni 2015 möglichst viele Weltranglistenpunkte zu sammeln. Der Qualifikationszeitraum umfasst nämlich ein Jahr von 1. Juni 2015 bis 31. Mai 2016. So konnte ich bereits bis Ende 2015 ausreichend Weltranglistenpunkte sammeln, um mir meinen notwendigen Top-100 Weltranglistenplatz per 31. Mai 2016 zu sichern, wenn 2016 nichts außergewöhnliches mehr passieren würde. Deshalb konnte ich auch meine Planung schon ab November 2016 gänzlich auf Olympia ausrichten. Da ich im Vorjahr durch die vielen Rennen zu Saisonende schon ziemlich „tot“ war, wollte ich im Olympiajahr mehr Augenmerk auf das Training richten und damit weniger Rennen fahren und damit auch das Sturzrisiko bzw. Verletzungsrisiko vor Olympia reduzieren. Ich absolvierte im März und im Mai zwei Höhentrainingslager in Teneriffa und in Livigno und profitierte davon auch gleich bei den ersten Rennen mit einem 11. GC-Platz bei der Gracia Orlova Rundfahrt und einem 6. Platz beim La Classique Morbihan. Damit verbesserte ich meine Platzierung in der Weltrangliste nochmals auf Platz 73 und per 31. Mai 2016 wurde von der UCI der Quotenplatz für Österreich bestätigt. Nun musste ich nur noch auf Nominierung durch das ÖOC warten, welche dann im Juli kam. Damit wäre das erste Ziel schon mal erreicht: die Olympiaqualifikation ist geschafft!!!! Obwohl es immer realistisch war, dass ich die Olympiaqualifikation schaffe, fühlte es sich dann doch unrealistisch an und bis zur Teilnahme trennte mich ja noch 1 Monat mit („gefährlichen“) Rennen.

Im Juli starte ich als Vorbereitung beim Giro d’Italia, um mir die notwendige Rennhärte zu holen. Und dieser verlief richtig gut mit Ergebnissen um Platz 20 und guter Performance auf den Bergetappen, die mir viel Zuversicht für den schwierigen Olympiakurs gab. Und hier endet mein letzter Blog-Eintrag.

Unmittelbar nach dem Giro d’Italia absolvierte ich mein letztes 2-wöchiges Höhentrainingslager in Livigno, welches sehr vielversprechend verlief. Leider verpasste ich dadurch die offiziellen Olympia-Termine, wie Einkleidung, Vereidigung durch den Sportminister und Verabschiedung vom Land OÖ. Nach Livigno ging es noch für 2 Tage nach Hause, um am Mittwoch noch beim Innenstadtkriterium in Wels zu starten und natürlich um meine Sachen für die Reise ins große Olympia-Abenteuer zu packen.

 

Am Freitag, den 29. Juli machte ich mich also auf den Weg nach Rio de Janeiro, natürlich nicht allein, mit dabei waren auch die männliche Raddelegation, Betreuer, und viele weitere Sportler. Von Wien ging es über Zürich weiter mit einer Zwischenlandung in Teneriffa (Zeitverlust 2 Stunden) aufgrund des Übergepäcks (zu viele Sportgeräte) nach Rio, wo wir todmüde (da ich im Hinblick auf Jetlag auf der Hinreise nicht schlief) um Mitternacht das Olympische Dorf erreichten. Da war ich nun! Nach dem üblichen Prozedere, Sicherheitskontrolle, Einweisung durch das ÖOC und Schlüsselübergabe, fiel ich todmüde in mein Stahlbett in meinem Mini-Zimmer (mit einem Stoffkasten) in unserer Mädls-WG. Ich hatte also ein Appartement mit Magdalena Lobnig und Corinna Kuhnle, die ich aufgrund unserer unterschiedlichen Aufsteh-, Trainings- und Insbettgehzeiten erst 2 Tage später das erste Mal in unserem Appartement traf. Die erste Nacht konnte ich schon mal durchschlafen und war auch ganz fit am nächsten Tag um mit Preidler und Denifl eine erste Trainingsrunde zu fahren. Unsere Tour führte uns auf dem Radweg entlang der Küste auf den Alto da Bao Vista rauf zur Christstatue am Corcovado. Von unserer ursprünglich geplanten Tour mit Abfahrt zur Copacabana sind wir dann auf Abraten von einheimischen Radfahrern aufgrund der Gefahr (hätte durch die Favelas geführt) doch abgewichen und damit die gleiche Strecke wieder zurück zum olympischen Dorf gefahren. Doch ging es dann gleich Schlag auf Schlag weiter, zunächst mit einem medizinischen Gespräch mit dem ÖOC-Doc, einer Massage und einer kurzen Erkundung des olympischen Dorfes.

Das olympische Dorf umfasste unzählige Hochhäuser (für 15.000 Athleten und Betreuer), wo die unterschiedlichen Nationen untergebracht waren. Von außen sah man das schön durch die Fahnen, die an den Fassaden angebracht waren. Das OÖC hatte zum Beispiel 3 Stockwerke bestehend aus mehreren Appartements (welche später Wohnungen für Einheimischen werden sollen), in welchen wiederum 3-4 SportlerInnen untergebracht waren. Im Dorf gab es zudem einen riesigen Park, ein Straßennetz für den Busverkehr sowie Rad- und Gehwege, ein Fitnessstudio, einen Tennisplatz, eine Commercial Zone (mit Post, Friseur, Shop, McDonalds) und eine riesen großes Essenzelt, das aussah wie ein Hangar. Das Essen selbst ähnelte dann leider nur einem Kantinenessen, was mir schon ab dem 3. Tag große Probleme mit dem Magen verursachte. Soviel mal zum olympischen Dorf, damit ihr auch eine Vorstellung davon habt.

Die nächsten Tage verbrachten wir mit Trainings auf der Strecke, die teilweise gesperrt und polizeilich überwacht war. Teilweise mussten wir uns aber mit dem Rad oder Auto durch den Rioverkehr quälen und wer den Rioverkehr kennt, der weiß wovon ich rede, Stau, Stau, und nochmals Stau. Unsere erste Autofahrt zum Austria-Haus an der Copacabana, welches ca. 35 km vom Olympischen Dorf entfernt war dauerte, sage und schreibe, 2 Stunden. Dort hatten wir auch einen Pressetermin, ein paar Fotos wurden gemacht und wir bekamen dort herrliches Essen, eine willkommene Abwechslung zum Kantinenessen im Dorf. Im Zuge unserer Trainings lernten wir auch das wahre Rio kennen, neben den landschaftlich schönen Strecken und reichen Vierteln, den bekannten Stränden Copacabana und Ipanema, streiften wir auch die Favelas, die Armenviertel, die sich am Stadtrand von Rio befinden. Diese Armut führt konsequenterweise zu hoher Kriminalität, weshalb die Trainings allein doch immer wieder gefährlich waren, und ich im Nachhinein betrachtet einfach nur froh bin das alles unbeschadet überstanden zu haben. Sportler, die in Trainingsstätten trainieren, waren natürlich davon nicht betroffen. Auf der Strecke konnte es auch schon mal passieren, dass einem ein kleiner Affe über den Weg lief, oder eine große Schlange den Weg kreuzte.

Da fällt mir auch noch eine nette Geschichte ein: kurz vor dem Rennen wollte ich noch auf einer flacheren Strecke trainieren nur um die Beine auszulockern. Auf Anraten vom Nationaltrainer bin ich dann auf die neue, noch nicht eröffnete, Autobahn „Transolympica“ gefahren, da diese laut seiner Information für Radfahrer für das Training gesperrt war (also gesperrt für Autos, damit die Radfahrer dort trainieren können). Nachdem ich bereits mehrere Kilometer in eine Richtung unterwegs war und mich über die Autos wunderte, die mich mit extrem hoher Geschwindigkeit passierten, und auch darüber, dass keine anderen Radfahrer hier trainierten, wurde ich auch schon von der Polizei angehalten, die mich nicht mehr weiterfahren ließen. Es stellte sich bald heraus, dass die Strecke für Radfahrer gesperrt war, da dort Hochgeschwindigkeitstests durchgeführt wurden. Also wurde ich in einem offiziellen Auto mit dem Rad im Kofferraum zum olympischen Dorf zurückgebracht. Ich kam mir vor wie ein Verbrecher…

Am Mittwoch vor meinem Rennen absolvierte ich noch ein tolles Intervalltraining am letzten 8km Anstieg. Die Intervalle fielen mir so leicht und ich konnte die erforderlichen 320 Watt voll durchziehen. Ich fühlte mich super und freute mich schon riesig auf das Rennen. Am Sonntag, den 7. August war es dann endlich so weit. Am Vormittag wurde in einem Karawan vom olympischen Dorf zum Start an der Copacabana gefahren. Dies funktioniert beim Frauenrennen gut, nachdem die Männer am Vortag mit 2 Stunden Verspätung am Start eintrafen. Beim Start gab es aber dann keine Sitzmöglichkeiten, wie das bei einer WM ist, und das ganze lief ein wenig chaotisch ab. Dann fiel endlich der Startschuss. Über den ersten Hügel ging es entlang der Küste zur Grumari-Runde, die mit 2 steilen Anstiegen und einer 2-km Kopfsteinpflasterpassage 2-mal zu bewältigen war. Während ich die erste Runde gut überstanden hatte, kam ich leider in der 2. Runde zu Sturz nachdem eine Fahrerin vor mir, die ich überholen wollte, einen Schwenk machte und mich damit zu Boden beförderte. Ich war allerdings gleich wieder am Rad und konnte den Anschluss zum Peloton gleich wieder herstellen. Auf dem Weg entlang der Küste zurück zum Ziel merkte ich schon, dass meine Ripper ganz schön schmerzten. Als wir dann in den letzten entscheidenden Berg hineinfuhren spürte ich die Sturzfolgen richtig, denn ich konnte nicht mehr tief atmen und so konnte ich nicht einmal mehr das Hinterrad von Fahrerinnen halten, die ein ganzes Jahr hinter mir waren, und das obwohl ich n Höchstform war. Diese Erkenntnis schmerzte so sehr, dass ich am liebsten vom Rad gestiegen wäre. Doch ich war bei Olympia und wollte dieses Rennen beenden. Also quälte ich mich über den Berg, der kein Ende nehmen wollte, meine Beine schmerzten nicht, aber ich konnte einfach nicht tief atmen. Dann kam endlich die Abfahrt, wo ich nichts mehr riskieren musste. Obwohl die Enttäuschung groß war, war das Überqueren der Ziellinie doch einzigartig. Entlang der Copacabana waren wirklich viele Zuschauer, die selbst uns Abgeschlagenen noch anfeuerten als ginge es um den ersten Platz. Und auch wenn das Rennen nicht nach Wunsch verlaufen ist konnte ich diese einzigartige Stimmung dann doch genießen und das Olympiaflair aufsaugen.

Die nächsten Tage bis zur Heimreise verbrachte ich dann als Tourist in Rio, nutzte die Gelegenheit um mir andere Sportveranstaltungen anzusehen, wie Schwimmen, Basketball, Judo, Bahnrad, Beachvolleyball und dann stand natürlich auch noch Sightseeing am Programm (Christstatue, Zuckerhut). Am Freitag ging es dann endlich wieder zurück in die Heimat und so beendete ich mein Olympiaabenteuer.

Damit schließe ich das Kapital Olympia mit „Dabeisein ist alles“, denn Tokio 2020 ist definitiv nicht mehr mein erklärtes Ziel.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Partner